Menschenrechte gelten universell. Das betonen alle, die in scharfer Form das Anti-Homosexuellen-Gesetz kritisieren, das das ugandische Parlament verabschiedet hat. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk nennt es „das wahrscheinlich schlimmste seiner Art weltweit“. Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen würden allein aufgrund ihrer Existenz zu Kriminellen.
„Dieses vieldeutige, vage formulierte Gesetz kriminalisiert sogar diejenigen, die Homosexualität ,fördern‘“, sagt Tigere Chagutah. Er ist Direktor für das Südliche und Ostafrika von Amnesty International. Der 78-jährige Staatschef Yoweri Museveni müsse „dringend“ sein Veto dagegen einlegen.
Das fordert auch Luise Amtsberg, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Sollte das Gesetz in Kraft treten, „würde es sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung und eines der schlimmsten Gesetze gegen homosexuelle Menschen weltweit handeln“.
Das Gesetz wird von einer breiten Öffentlichkeit unterstützt
Amtsberg betont, dass es um „universelle Menschenrechte“ gehe, „die uns allen zustehen – auch queeren Menschen in Uganda“. Sie weist die Darstellung zurück, dass „der Westen“ anderen Ländern zur Homosexualität seine Werte aufzwinge. Allerdings wird das Gesetz in Uganda von einer breiten Öffentlichkeit unterstützt.
Homosexuelle Handlungen sind in Uganda seit der Kolonialzeit verboten und können schon jetzt mit langer Haft bestraft werden. Die jetzt verabschiedete Verschärfung, die im Extremfall auch die Todesstrafe für Homosexuelle vorsieht, lehnt sich an eine Fassung von 2013 an, die aufgrund von Formfehlern bei der Abstimmung nicht in Kraft getreten war. Mehr als 30 afrikanische Länder stellen Homosexualität unter Strafe. Neben Uganda planen auch andere Staaten Gesetzesverschärfungen, etwa Ghana.
Präsident Museveni hat Homosexuelle schon oft als „abartig“ bezeichnet. Er verwahrt sich gegen Einmischung von außen und fordert westliche Länder auf, ihre Ansichten nicht weiter anderen Ländern aufzuzwingen. Museveni ist wiedergeborener Christ. In Uganda bekennen sich 84 Prozent der Menschen zum Christentum, je zu einem Drittel sind sie anglikanisch oder katholisch. Am stärksten wachsen pfingstkirchliche, evangelikale und charismatische Gemeinden.
Die Katholische Kirche klingt in ihrer Rhetorik etwas weniger feindlich
Die Religionen sind entscheidend für die Ablehnung von Homosexuellen. Ob Anglikaner, Muslime (14 Prozent der Bevölkerung von Uganda) oder Evangelikale: Die große Mehrheit der religiösen Oberhäupter Afrikas lehnt LGBTQ-Rechte strikt ab. Nur die Katholische Kirche klingt in ihrer Rhetorik etwas weniger feindlich. Grundsätzlich verurteilt auch sie homosexuelle Handlungen.
In Afrika wächst das Christentum rasant. Der Norden des Kontinents ist überwiegend vom Islam geprägt, der Süden von diversen christlichen Denominationen. Rund 40 Prozent der Afrikaner sind Christen. Die Zahl der Katholiken hat sich seit 1950 verzehnfacht. Die Missionierung ist nur zu einem kleinen Teil dafür verantwortlich, zum größten Teil wird die Wachstumsdynamik von den hohen Geburtsraten verursacht.
Durch die Kräfteverschiebung verändert sich der Charakter der Religion
Rund 26 Prozent der globalen Christenheit leben in Afrika. Im Jahr 2060 werden es laut dem Forschungsinstitut Pew 42 Prozent sein. Durch diese Kräfteverschiebung verändert sich auch der Charakter der Religion. Sie wird konservativer, charismatischer und fundamentalistischer.
„Die Konfessionen, die sich im Süden der Welt durchsetzen – radikale protestantische Sekten, evangelikale oder Pfingstkirchen oder orthodoxe Formen des römischen Katholizismus – sind stramm traditionell oder sogar reaktionär“, schreibt der Religionshistoriker Philip Jenkins in seinem bereits 2002 veröffentlichten Buch „The Next Christendom – The Coming of Global Christianity“.
Die großen christlichen Kirchen – Katholizismus und Protestantismus – geraten unter Druck
Pfingstkirchen verbuchen den meisten Zulauf. Ihre Mitglieder vertrauen auf die Wirkung des Heiligen Geistes, auf Wunderheilungen und Erweckungserlebnisse. Die Bibel wird wörtlich ausgelegt. In Afrika spielen auch Prophezeiungen, der Teufel, Dämonen und Exorzismus eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt stehen Geistliche, die behaupten, einen besonderen Zugang zum Göttlichen zu haben.
In Kenia, Uganda und Nigeria gibt es Zehntausende Frei- und Pfingstkirchen. Die großen christlichen Kirchen – Katholizismus und Protestantismus – drängt diese Dynamik in den Hintergrund. In Staaten, in denen der Katholizismus auch die Religion der französischen und portugiesischen Kolonialherren war, wird er als regimekonform wahrgenommen.
Es gab auf dem Kontinent durchaus geduldete gleichgeschlechtliche Sexualität
Ohnehin sind die Anfänge des afrikanischen Christentuns eng mit der Kolonialzeit verbunden. Zuvor gab es auf dem Kontinent durchaus geduldete gleichgeschlechtliche Sexualität. Die frühesten belegten Drohreden gegen homosexuelle Praktiken in Afrika stammten von Europäern und Amerikanern, schreibt der Historiker und Afrika-Experte Marc Epprecht. Er warnt davor, den festgefahrenen Streit zwischen „afrikanischen Homophoben“ und „westlichen Liberalen“ ohne Einbeziehung des historischen Kontextes auszutragen.
Wie stellt sich dieser Streit aus afrikanischer Perspektive dar? Epprecht skizziert ein Dilemma: „Wenn früher die heterosexuelle monogame Ehe mit vielen Kindern Gottes Wille war und Afrikaner bestraft oder öffentlich gedemütigt werden konnten, wenn sie etwas anderes äußerten – wie können dann heute homosexuelle Beziehungen, aus denen keine Kinder hervorgehen und die in der Kirche und den Familienritualen nicht vorgesehen sind, ein Beweis der Liebe Gottes sein?“
Sein Resümee lautet: „Wer von außen glaubwürdig für den Schutz sexueller Minderheiten in Afrika eintreten will, muss jeden Anschein einer erneuten Bevormundung vermeiden.“
Menschenrechte wie das auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung gelten universell. Sie einzufordern ist richtig und – siehe Uganda – aktuell notwendig. Es muss allerdings auf eine Weise geschehen, die in Afrika nicht automatisch Verschwörungsmythen über internationale Kräfte befördert, die „westliche Werte“ verbreiten wollen.
Author: Denise Melendez
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